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Zweiter Workshop des Klimarats Ferlach

Kurzbericht
18. März 2023

Rückblick zum ersten Workshop des Klimarats

Ziel des ersten Workshops war die partizipative Entwicklung von vier Zukunftsbildern für ein klimaneutrales Ferlach im Jahr 2040. Dazu wurden an zwei Tagen (2. und 3. Dezember 2022) verschiedene Aspekte der Klimaneutralität ‐ Energie, Mobilität, Wohnen, Soziales ‐ vom Klimabeirat intensiv diskutiert und Entscheidungen über deren Ausprägung in den Zukunftsbildern getroffen. Es entstanden vier beschreibende Fließtexte („und‐Texte“). Diese bilden die inhaltliche Grundlage für die weiteren Workshops.

Zweites Ziel des ersten Workshops war die Benennung von (Nachhaltigkeits‐)Kriterien, die für die Bewertung der einzelnen Zukunftsbilder (Workshop 2) notwendig sind. Insgesamt wurden vom Klimabeirat 13 solcher Kriterien genannt.

Abschließend wurde der Klimabeirat über den weiteren Prozessverlauf informiert: In der Zeit zwischen dem ersten und zweiten Workshop werden die vier qualitativen Zukunftsbilder von Prof. Sigrid Stagl und ihrem Team quantitativ übersetzt, um (a) eine Vergleichbarkeit ihrer Eigenschaften zu ermöglichen und (b) sicherzustellen, dass sie tatsächlich das Ziel „Klimaneutralität“ erreichen.

Übersetzung der qualitativen Zukunftsbilder in quantitative „Energiezukünfte“

Bevor es zum zweiten Workshop kommen konnte, bestand die Aufgabe der Wissenschaftler:innen darin, die vier qualitativen Zukunftsbilder zu „übersetzen“ bzw. quantitativ zu interpretieren, welcher Energiemix, Energiebedarf und CO2‐Ausstoß aus den einzelnen Zukunftsbildern hervorgeht. Konkret wurden dazu die langen Fließtexte herangezogen (siehe beispielhaft Zukunftsbild D in Abbildung 5). Die quantitativen Interpretationen der Zukunftsbilder werden als „Energiezukünfte“ bezeichnet.

Die nachstehende Abbildung 6 Der gewählte Übersetzungsprozessgibt einen Überblick über die einzelnen Schritte des Übersetzungsprozesses. 

Der Zweite Workshop

Der zweite Workshop des Klimarates Ferlach fand am 18. März 2023 im wunderschönen Rondeau des Schlosses Ferlach statt. 13 Mitglieder des Klimarates fanden sich ein, um gemeinsam an der Weiterentwicklung des Zukunftsbildes und der dafür notwendigen Maßnahmen zu arbeiten.

Stefan Wiltschnig begrüßte den Klimarat im Namen des Lenkungsausschusses. Er fasste viele Gedanken zusammen, die seit dem ersten Workshop an ihn herangetragen wurden: z.B. wie viele Themen neben dem Energiethema noch relevant sind, sowie die Komplexität der Dekarbonisierung („weil sich alles gegenseitig beeinflusst“). Er erinnerte auch an die Exkursionen zu den „Initiativen des Gelingens“, an denen viele Mitglieder des Klimarates teilgenommen hatten.

Danach ergriff Stadtrat Ervin Hukarevic das Wort und lobte die bisher geleistete Arbeit und die erwarteten Ergebnisse des Projekts. Er betonte auch die Wichtigkeit der Verknüpfung der Projektergebnisse mit zukünftigen e5‐Aktivitäten.

 

 

Ziel und Zweck des zweiten Workshops

Zentrales Ziel des Workshops war es, gemeinsam von vier zu einer von allen getragenen Energiezukunft (Zukunftsbild) zu kommen. Der dafür vorgesehene Ablaufplan wurde von den beiden Moderatoren Mischa Altmann und Holger Heller vorgestellt. Hervorzuheben ist, dass die Aufgabe nicht nur darin bestand, die nach Nachhaltigkeitskriterien beste Energiezukunft zu identifizieren, sondern auch auszuloten, ob Elemente der anderen Energiezukünfte so wichtig und attraktiv sind, dass sie ggf. in die beste Energiezukunft integriert werden sollten.

Kurze Vorstellung des Übersetzungsprozesses

Nach einem kurzen Rückblick zu den Ergebnissen des ersten Workshops (vier Zukunftsbilder) galt es den stattgefundenen Übersetzungsprozess im Detail darzulegen. Sigrid Stagl und Therese Guttmann zeigten, wie sie in mehreren Schritten, die qualitativen Aussagen der vier Zukunftsbilder („und‐Texte“) in vier quantitative Energie‐ und CO2‐Bilanzen übersetzten.

Abbildung (siehe oben) zeigt den 9‐stufigen Übersetzungsprozess der Zukunftsbilder in Energie- und CO2 Bilanzen.
 

 

Präsentation und Diskussion der Energiezukünfte ‐ Was ist unklar? Was stört?
 

Das Referenzszenario (wo stehen wir heute?) sowie die quantitativen Übersetzungen der Zukunftsbilder wurden vom Wissenschafterinnenteam präsentiert (Abbildung 7 und Abbildung 8 zeigen die Energiebilanzen, respektive die CO2‐Bilanzen der vier Zukunftsbilder).

Der Klärung von Verständnisfragen sowie der Identifizierung von Resonanz‐ und Irritationspunkten in Bezug auf die Energiezukunft wurde viel Raum gegeben.

Generell kann gesagt werden, dass Unklarheiten beseitigt werden konnten. Einige inhaltliche Irritationen konnten auch in der Gruppendiskussion ausgeräumt werden, andere nicht (z.B. fehlender Ausbau von Freiflächensystemen). Diese wurden festgehalten und unter Punkt 12 „Verständigung auf eine Energiezukunft E“ des Berichtes wieder aufgegriffen. Die intensive Diskussion führte zu einigen Unstimmigkeiten. Letztlich wurden aber gemeinsam Lösungen und Verständnis gefunden, die die Gruppe wieder zusammenführten. Irritationen und der Wunsch nach Überarbeitung einer Energiezukunft sind kein unerwartetes Ergebnis eines partizipativen, iterativen Prozesses. Ganz im Gegenteil. Der Klimarat hatte hier zum ersten Mal die Chance (und Herausforderung), sich in der großen Gruppe auf ein gemeinsames Zukunftsbild zu einigen. Im ersten Workshop wurden diese Zukunftsbilder ausschließlich in Kleingruppen erarbeitet und diskutiert. Zudem war allen bewusst, dass über die konkret genannten Attribute noch diskutiert werden würde.

Als nächstes präsentierten die Wissenschaftler:innen das Ergebnis der Bewertung der einzelnen Energiezukünfte. Im letzten Workshop hatte der Klimabeirat 13 Kriterien für diese Bewertung ausgewählt. Für jedes Kriterium wurden messbare Indikatoren ausgewählt und Werte bestimmt. Nachfolgende Abbildung zeigt die Ergebnisse der Bewertung in Form eines Netzdiagramms. Jede Speiche des Netzdiagramms steht für ein Kriterium. Je weiter außen ein Punkt entlang einer Speiche (eines Kriteriums) liegt, desto „besser“ schneidet die Energiezukunft hier im Vergleich zu den anderen Zukünften ab. Im Idealfall liegen alle Punkte eines Szenarios am äußeren Rand des Netzdiagramms. Man sieht z.B., dass Energiezukunft A bei Ungleichheit, Umwelt und Lebensqualität am besten, bei Abfall und Klimaschutz am schlechtesten und bei Anpassungsfähigkeit am schlechtesten abschneidet. Energiezukunft B schneidet beim Beitrag zum öffentlichen Haushalt und zur regionalen Wirtschaft sowie bei der Energieautarkie am besten ab. Energiezukunft C punktet beim Eingriff in Rechte und beim Preis. Energiezukunft D schneidet bei Flächenbedarf, Abfall, Mobilität und Klimaschutz am besten ab.

Subjektive Gewichtung der Nachhaltigkeitskriterien

In diesem Schritt sollte der Klimarat eine Einschätzung zu folgender Frage abgeben: Wie wichtig sind mir die einzelnen Kriterien bei der Bewertung der Energiezukünfte? Zur Beantwortung dieser Frage wurde auf dem Boden des Rondeaus eine Linie gezogen, entlang der sich Markierungen mit den Zahlen 1‐10 befanden. Für jedes der 13 Kriterien stellte der Moderator dem Klimarat die Frage: „Wie wichtig ist mir XXXX bei der Bewertung der Energiezukunft? Eine Gewichtung von 1 bedeutet ‚völlig unwichtig‘, eine Gewichtung von 10 bedeutet ‚sehr wichtig‘. Die Teilnehmer:innen stellten sich entlang der Linie entsprechend ihrer Gewichtung auf. Bei einigen Kriterien lagen die subjektiven Gewichtungen näher beieinander als bei anderen.

Ergebnis der Auswirkungsbewertung der 4 Energiezukünfte
 

Die subjektiven Gewichtungen wurden für die Auswirkungsbewertung (das Impact Assessment) benötigt. Der diesem Impact‐Assessment zugrunde liegende Algorithmus (PROMETHEE2) kombiniert subjektive Kriteriengewichte mit objektiven Kriterienwerten (scores). Dies führt unter anderem zu gewichteten Bewertungen (siehe Abbildung). Ganz allgemein ist der Zweck eines Impact Assessments jener, den Entscheidungsträger:innen eine Entscheidungshilfe zu bieten. Es generiert keine zusätzlichen Informationen, sondern stellt vorhandene Informationen über mögliche Entscheidungsoptionen strukturiert zusammen und ermöglicht so deren Vergleich. Warum dies hilfreich sein kann, zeigt die Kognitionsforschung: Sie zeigt, dass das menschliche Gehirn im Durchschnitt nur 5 bis 9 Elemente gleichzeitig verarbeiten kann. Das vorliegende Entscheidungsproblem (4 Energiezukünfte, 13 Bewertungskriterien) übersteigt also jede rationale Verarbeitungskapazität. Entscheidungen werden in solchen Situationen meist impulsiv/emotional oder nur auf Basis unvollständiger Informationen getroffen.

Aus dieser gewichteten Bewertung, erstellt der Algorithmus nun auch eine Reihung der vier Energiezukünfte. In der folgenden Abbildung 16 ist deutlich zu erkennen, dass die Energiezukunft D von fast allen Mitgliedern des Klimarates am besten bewertet wird. An zweiter Stelle liegt Energiezukunft B, gefolgt von Energiezukunft C. Das Schlusslicht bildet Energiezukunft A.

Das Ergebnis des Rankings löste bei den Teilnehmenden zunächst Überraschung aus. Eine längere Diskussion über den der Reihung zugrundeliegenden Algorithmus sowie über die einzelnen Bewertungsergebnisse und Attribute von Energiezukunft D führte aber schließlich zu einer Akzeptanz des Ergebnisses.

Der in Energiezukunft D vorgesehene Phase‐Out des Individualverkehrs und der Einsatz von Wasserstoff als Antriebsenergie für den öffentlichen Verkehr führten zu viel Diskussion. Beim Ausstieg aus dem Individualverkehr konnte nach längerer Diskussion herausgearbeitet werden, dass sich der Widerstand nicht gegen den Ausstieg an sich richtet, sondern gegen den vermeintlichen Verlust von Autonomie und Spontaneität. Sofern ein neues Mobilitätskonzept diese Grundbedürfnisse abdeckt, gibt es keinen Widerstand. In Bezug auf Wasserstoff als Antriebsenergie wurde deshalb Widerstand geäußert, weil dies zwar technisch möglich, aber aus Gründen der Nachhaltigkeit stark umstritten sei. Auch diese Bedenken wurden zur Kenntnis genommen und müssen bei der Entwicklung von Maßnahmen berücksichtigt werden. Es wurde aber auch akzeptiert, dass der Einsatz von Wasserstoff als Antriebsenergie durchaus plausibel sein kann.

Einigung auf eine Zukunftsbild/Energiezukunft „E“

Absolutes Schlüsselergebnis des zweiten Workshops ist die einstimmige Entscheidung des Klimarates für ein Zukunftsbild: das Zukunftsbild/die Energiezukunft E. Es entspricht weitgehend dem Zukunftsbild D, wird aber um folgende Merkmale ergänzt:

  • Ausbau PV auf Freiflächen
  • Einsatz von Geothermie‐Wärmepumpen (oberflächennah)
  • Ein Minimum an Individualverkehr (PKW) bleibt erhalten (ist bereits jetzt in Energieszenario D vorgesehen, wird aber im Narrativ des Zukunftsbild nachgeschärft)
  • Elektrischer Antrieb von öffentlichen Verkehrsmitteln wo möglich

 

Eine Arbeitsgruppe „Narrative“ bemüht sich in der Zeit bis zum 3. Workshop um die Entwicklung eines Narrativs für dieses Zukunftsbild E. Konkret soll eine Beschreibung der Energiezukunft E in Worten (2‐3 Absätze) entstehen. Grundlage dafür ist der „und“‐Text des Zukunftsbildes D sowie die im Workshop 2 beschlossenen Anpassungen (siehe oben). Die WU unterstützt die Arbeitsgruppe inhaltlich bei der Erarbeitung dieses Narrativs. Dieses soll zu Beginn des 3. Workshops dem Klimabeirat vorgestellt und von diesem verabschiedet werden, bevor mit der Maßnahmenentwicklung begonnen werden kann. Zur Unterstützung wird die WU der AG vorab auch Unterlagen zum Energiemix (Energiezukunft E) zur Verfügung stellen.

 

Resonanz und was ich aus dem Workshop mitnehme

Eine abschließende Reflexionsrunde machte noch einmal die Dimension der Herausforderung deutlich. Einige Teilnehmende zeigten sich erstaunt über die Ergebnisse der Ranglisten. Andere schienen sich damit abgefunden zu haben, dass sie andere Entscheidungen treffen würden als ein Algorithmus:

„Wir können die Komplexität nicht erfassen“. Eine Person fühlte sich überfordert. Andere betonten, wie faszinierend und spannend der Prozess gewesen sei. Erneut wurde die Angst vor dem Ausstieg aus dem Individualverkehr betont.

Man habe auch viel gelernt. So wurde gesagt, dass es ein erstaunlicher Prozess sei, auf den man sich erst einmal einlassen müsse. Gelernt wurde auch, wie wichtig es ist, Ratlosigkeit auszuhalten, wie schnell man sich ein Urteil bildet und wie schwer es ist, dieses rational zu begründen. Als schön wurde empfunden, wie die Unsicherheit überwunden wurde und wie man von einem breiten Dissens zu einem breiten Konsens kam. Hervorgehoben wurde die gute

Aufbereitung durch die Prozessverantwortlichen: vom Textwirrwarr zur datengestützten Entwicklung. Einige wollen noch mehr über den Algorithmus lernen, sich noch nützlicher machen, produktiv arbeiten. Es gibt viel Freude am Prozess und viel Engagement für die Zukunftsthemen, mit Herzblut und Emotion. Allgemein war man sich einig, dass nun eine gute Arbeitsgrundlage vorhanden sei ‐ man freue sich auf die Entwicklung der Maßnahmen.